Coitus interruptus

Es ist schon erstaunlich, wie viele Begriffe im Zusammenhang mit unserer Sexualität aus dem Lateinischen stammen. So auch der „Coitus interruptus“ kurz CI, was auf Deutsch so viel wie unterbrochener Geschlechtsverkehr heißt. Vor etwa zwei Generationen war diese Vorgehensweise, also den Geschlechtsverkehr zu unterbrechen, noch die am meistverbreiteten Methode der Verhütung. Insbesondere deshalb, weil es zu dieser Zeit an weithin verfügbaren Alternativen mangelte! Die ersten Kondome aus Tierhäuten gab es bereits Mitte des 17. Jahrhunderts. Allerdings waren diese nicht für jeden erschwinglich und leider auch nicht sonderlich zuverlässig. Mittlerweile ist der Coitus interruptus in weiten Teilen der Welt jedoch unpopulär geworden – und zwar aus mehreren Gründen. Zum einen handelt es sich nach heutigem Wissensstand um die unzuverlässigste Art, eine Schwangerschaft zu vermeiden. Warum? Nun, bereits vor dem Samenerguss sondert das männliche Glied häufig den sogenannten Lusttropfen ab. Und in diesem einem Tröpfchen sind bereits etliche Samenzellen vorhanden, welche eine Eizelle befruchten könnten. Außerdem erfordert es von einem Mann schon einiges an Konzentration und Willensstärke, um den genauen Zeitpunkt abzupassen, an dem er sich zurückziehen muss. Das gelingt normalerweise nur geübten einigermaßen regelmäßig. Besonders entspannt oder lustvoll ist diese Methode wohl eher auch nicht. Darüber hinaus möchten die meisten Paare den Höhepunkt erleben, während der Mann in der Frau ist, und nicht etwa den Akt vorzeitig abbrechen. Zum anderen schützt das Herausziehen des Gliedes natürlich nicht vor ansteckenden Krankheiten. Das ist bei Sex ohne Kondom allerdings grundsätzlich nicht gegeben, daher ist davon immer dann abzuraten, wenn man seinen Geschlechtspartner gerade erst kennengelernt hat.

Moderne Verhütungsmittel, wie die umgangssprachliche Lümmeltüte, die Spirale und die Antibabypille kamen erst später auf den Markt. Daher hatten Frauen früher gar keine andere Möglichkeit zur Verhütung – außer natürlich, man zählt die Enthaltsamkeit an den fruchtbaren Tagen dazu. Das ist allerdings nur dann eine zuverlässige Methode, wenn man sich intensiv mit der Thematik Zervixschleim (auch Billings-Methode genannt) auseinandersetzt. In manchen Kulturen und Religionen ist die Verhütung durch hormonelle Mittel oder Kondome aber bis heute verpönt, ja sogar „verboten“, und wird dementsprechend weitgehend abgelehnt. In sehr katholischen Regionen des ehemaligen Ostblocks oder im Islam zum Beispiel ist der Coitus interruptus die einzig akzeptierte Praktik, um den Kindersegen zu umgehen. Auch Paare, bei denen ein Partner hochsensibel oder allergisch ist, praktizieren den CI, da Medikamente oder Latex nicht vertragen werden. In ganz seltenen Fällen kommt der Coitus interruptus außerdem zum Einsatz, weil ein Paar medizinische Produkte oder Kunststoffe grundsätzlich ablehnt. Denn umweltfreundlich ist der CI natürlich allemal.       

In den letzten Jahren hat sich der Coitus interruptus bei etlichen Menschen auch zu einer Spielart beim Geschlechtsverkehr gewandelt. Der sogenannte tantrische Sex, bei dem die körperliche Nähe und innige Verbundenheit im Vordergrund stehen, ist weniger auf die eigentliche Penetration fokussiert. In diesem Zusammenhang empfinden es viele Paare als äußerst lustvoll, den Sex mehrere Male bis an den Rand des Höhepunktes zu treiben und kurz vor dem Samenerguss zu pausieren. Das steigert die Erregung und verlängert den eigentlichen Akt um ein Vielfaches. Als Verhütung eignet sich der CI also nur dann, wenn Paare zum Familienzuwachs nicht nein sagen würden. Sprich: Sie planen eine Schwangerschaft nicht aktiv, indem sie Sex gewissermaßen nach Terminkalender praktizieren. Aber wenn es trotzdem passiert, dass Nachwuchs unterwegs ist, würden sie sich sehr darüber freuen. Sofern Sie zu dieser Kategorie gehören, probieren Sie den unterbrochenen Geschlechtsverkehr ruhig einmal aus. Vielleicht finden Sie ja sogar Gefallen daran. Sollte ein Baby aktuell aber so gar nicht in Ihre Lebensplanung passen, nehmen Sie am besten Abstand von dieser eher altertümlich anmutenden Verhütungsmethode namens CI.

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